Zum Ende unserer Zeit in China durften wir unsere Heimat auf Zeit noch ein Mal einem Besucher näher bringen. Christian verbrachte 10 Tage mit uns in Suzhou, Shanghai und Yangshuo. Er erlebte somit ein bunte Mischung aus alt, neu, Millionenmetropole und Provinz.
In Suzhou und Shanghai wurde ihm das altbewährte Besucherprogramm geboten: Tiger Hill, Humble Administrator Garden, Jinji Lake, Bootfahren, Bund, Pudong und Altstadt mit Teezeremonie.
Viel Lebenserfahrung konnte Christian (und wir) in der kurzen Zeit sammeln, die wir euch nicht vorenthalten wollen:
Verkehrsknoten:
Auf einer kleinen Brücke, die vom Parkplatz des Humble Administrator Garden über einen der vielen Kanäle Suzhous führte hatte sich eine scheinbar aussichtslose Verkehrssituation gebildet. Händler, Fußgänger (wir), Rollerfahrer, Reisebusse und diverse Autos drängten sich auf ca. 4 x 10 Metern. Es gab - zumindest für eine Chinaunerfahrene Person - an dieser Stelle kein vor und zurück mehr. Doch nachdem die Roller sich waghalsig eng im Schneckentempo zwischen den Händlern und den Autos (da hätte kein Blatt Papier mehr zwischengepasst und so manch einem deutschen Autofahrer wäre aus Angst um den Lack der Puls in Wallung geraten) durchgezwängt hatten folgten die Fußgänger sofort den Rollern und der Gordische Knoten platzte, so dass nun auch die Autos wieder Platz fanden und sich langsam aneinander vorbei monövrierten. Dass die zuletzt auf der Brücke eingetroffenen Fahrzeuge diese wieder verließen, um Platz zu schaffen ist in solchen Situationen übrigens nie die Lösung. 2 cm Abstand zwischen Seitenspiegeln reichen vollkommen aus (im Zweifel können diese auch eingeklappt werden).
Zähe Preisverhandlungen:
Unsere Preisverhandlungskünste können in China auch mal komplett ins Leere laufen. Das wurde uns eindrucksvoll am Bahnhof in Hongqiao bewiesen. Vor einer kilometerlangen Menschenschlange am Taxistand wartete eine junge Kleinunternehmerin, die mit einer privaten Taxifahrt warb. Nachdem wir ihr von den Menschenmassen entmutigt mitteilten, wohin wir wollten nannte sie uns in sehr strengem Tonfall den Preis von 150 RMB. Marcel versuchte den Preis zu drücken, doch sie wiegelte rigoros ab, deutete auf das Ende der Schlange und erklärte: "Dann stellt euch eben an. 150!!" Marcel machte ein weiteres Angebot, doch es nützte nichts. Wir ernteten einen verbissenen Gesichtsausdruck, ein Kopfschütteln und die Aussage:"150!!!". Im Hintergrund amüsierten sich bereits ein paar Chinesen über ihre Mitbürgerin und uns. Nach einem langen Tag in Shanghai hatten wir keine große Lust im von Abgasen verpesteten Tunnel zu warten, bis wir nach geschätzten 2 Stunden in ein Taxi steigen durften und gingen schließlich auf ihr Angebot ein. Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und dampfte im Stechschritt davon. Wir konnten gerade so mit ihr mithalten, bis sie plötzlich anhielt und uns befahl zu warten. Im uns nunmehr vertrauten, von Liebenswürdigkeit weit entfernten Tonfall, bestellte sie telefonisch den Fahrer herbei, der uns chauffieren sollte. Dieser fuhr recht schüchtern vor und ließ sich von ihr die Adresse und den Preis mitteilen. Der Fahrer, vermutlich ihr zum Fahrdienst verdonnerter Ehemann, chauffierte uns mit sehr zurückhaltender Fahrweise zum Hotel. Er war das genaue Gegenteil zu seiner Partnerin. Ying und Yang eben... Ein offizielles Taxi hätte zwar nur einen Bruchteil des bezahlten Fahrpreises gekostet, aber wir waren heilfroh der langen Wartezeit entgangen zu sein.
Ungefragte Hilfsbereitschaft und überraschende Geständnisse:
Eine weitere interessante Erfahrung sammelten Christian und Johanna in Shanghai, als sie den Jade Buddha Tempel suchten. Beide studierten gerade den Stadtplan an einer Kreuzung, als sie von einer jungen Chinesin angesprochen wurden. Nachdem geklärt war, dass es zum Jade Buddha und nicht zum Jing An Temple gehen sollte nahm sie ihnen den Plan aus der Hand und sprach die nächste Chinesin an, die vorbei kam. Beide diskutierten lange und ausführlich, wo es hingehen sollte. Schließlich stand der Weg fest und die junge Chinesin griff in ihre Tasche, schrieb Jade Buddha Tempel in chinesischen Schriftzeichen auf ein Post-it, für den Fall, dass sie erneut die Orientierung verlieren sollten. Dann erklärte sie den Weg und fragte: "Glaubt ihr?" Johanna war ganz überrascht und erwiderte, dass Christan und sie keine Buddhisten seien, sondern nur als Touristen den Tempel besichtigen wollten. Darauf erwiderte die Chinesin:"Ich lese die Bibel". Das traf bei Christian und Johanna auf völliges Unverständnis (wenn nicht sein kann, was nicht sein darf...)...erst nach einigem Wiederholen des Satzes und des Vorzeigens einer kleinen Broschüre fiel bei beiden der Groschen: Sie standen einer Zeugin Jehovas gegenüber. In China, mitten in Shanghai...Die junge Dame hatte jedoch nicht die Absicht zu missionieren. Sie wollte mit der Broschüre nur klar machen, was sie meinte, wünschte noch einen schönen Tag und ging ihres Weges.
Und dann lernte Christian etwas über "den Mann" in der chinesischen Gesellschaft:
Männer in China tragen gern Handtaschen. Oftmals eigene und gern auch mal über den Unterarm gehängt. Diese Exemplare sind etwas maskuliner im Design, aber nicht weniger flott, als ihre femininen Pendants. In Begleitung weiblicher Personen sieht man Männer oft die Handtaschen der Damen tragen und zuzüglich auch ihre eigene. Hiervon könnten sich europäische Männer mal ein Beispiel nehmen.
Außerdem lernte Christian, dass gestandene Mannsbilder ganz selbstverständlich in Cafés einkehren können, die in Pastelltönen gehalten und innen wie außen Katzen gewidmet sind. Dort hinein
flüchtete sich nämlich Marcel vor dem Regen, um auf Johanna und Christian zu warten. Er schlürfte dabei ganz ungerührt und entspannt einen leckeren Cappuccino aus einer mit einem Kätzchen
dekorierten Tasse und verspeiste einen Pfannkuchen.
Sicherheitsstandards und kreative Lösungsfindung:
Den letzten Abend in Shanghai verbrachten wir in der Xintiandi in der Martini Bar des The Langham Hotels. Wir waren zuversichtlich, dass wir an dieser noblen Adresse ein Taxi finden würden, das mit Sicherheitsgurten ausgestattet war. Uns stand eine ca. 1-Stünde Autofahrt bevor und die wollten wir konservativ und sicher angeschnallt hinter uns bringen. Das Gefährt, das vorfuhr hatte zwar Gurte, aber keine Gurtschlösser. Wir wendeten uns an die Mitarbeiter des Hotels, die das Taxi gerufen hatten und erklärten unsere Situation. Einer blickte ins Taxi und zog verständnislos einen der Gurte hervor. Mit jedem Mal, dass wir das Taxi abwiesen kam einer neuer Mitarbeiter hinzu, der den Grund noch einmal hören wollte bis es am Ende 4 Hotelangestellte waren. Der letzte verstand endlich und sprach den Taxifahrer auf die fehlenden Schlösser an. Der erhob sich müde aus seinem Wagen, hob zusammen mit einem Hotelangestellen die Rückbank an und fischte die Schlösser hervor. Diese sahen sich ihrer Erstbenutzung gegenüber und waren nach jahrelangen nutzlosem "Mitfahren" furchtbar dreckig, aber sie funktionierten und so konnten wir die lange Reise nach Hongqiao immerhin mit höherem Sicherheitsstandard antreten. Wir hinterließen allerdings Gesprächsstoff, der die Mitarbeiter des Hotels sicherlich noch die nächsten Wochen amüsieren sollte...
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