Eine Hochzeit auf Koreanisch

Wie junge Paare in Korea Hochzeit feiern scheint ein für uns Europäer gewohnter Anblick zu sein. Weißes Brautkleid, schicker Anzug, Torte...Limousine...Doch wie Marcel feststellen durfte, hat das mit "unserer" Art zu heiraten und insbesondere zu feiern wenig zu tun.  

Vor mehreren Wochen erreichte ihn die Einladung eines Geschäftspartners zu seiner Hochzeit und heute war es soweit.

In einem mehrstöckigen Gebäude, das ausschließlich Hochzeitsfeiern gewidmet ist, finden im halbstundentackt Hochzeiten statt. Das passiert in den deutschen Standesämtern auch schon mal, denkt ihr? Stimmt, aber ganz so durchorganisiert, wie hier ist es bei uns trotzdem nicht.

Für jede Hochzeit werden von den Gästen riesengroße, frische Blumengebinde bestellt, vor dem Hochzeitssaal aufgestellt und nach der Trauung direkt wieder entfernt, um den neuen für die anschließende Trauung Platz zu machen. Der Hochzeitssaal, in dem locker 200 Personen passen, kann mit verschiedenen Dekorationen (Farben der Deko, frische oder künstliche Blumen, runde, eckige Tische oder keine), Fotografen (3 wenn gewünscht) und Videoleinwand (für Verlobungsfotos und Liveübertraung der Trauung) gebucht werden.

Vor der Trauung sitzt die Braut alein in einem strahlendweißen Vorraum und man kann Fotos mit ihr zusammen machen. Der Bräutigam steht zur Begrüßung der Gäste und ebenfalls für Fotos vor dem Saal zur Verfügung.

Geschenke gibt es nicht. Man zahlt bei einem "Kassierer" (ein naher Verwandter oder guter Freund) einen Geldbetrag und erhält dann einen Gutschein für die Kantine.

Wie ihr der Einaldung oben links entnehmen könnt, werden auch die professionellen Hochzeitsfotos bereits vor der Trauung aufgenommen. Die Kleidung wird für diesen Anlass und die anschließende Hochzeit geliehen.

Während der Zeremonie wird von Helfern peinlich genau darauf geachtet, dass die Brautleute immer perfekt fürs Foto aussehen. Kleid und Schleier werden ständig zurechtgezupft. Auch eine Torte wird mit viel Nebelschwaden und musikalischer Untermalung vorgefahren und das Brautpaar schneidet die Torte fürs Foto an. Gegessen wir davon aber nicht.

Nach der Trauung und der traditionellen Verbeugung der Brautleute vor den Eltern ist alles vorbei. Danach kann die Hochzeitsgesellschaft in die hauseigene Kantine gehen und dort zusammen mit allen anderen Festgesellschaften - aber ohne die Brautleute und in Nahkampferfahrung an langen Tischen essen.

Nach der Trauung machen sich die Brautleute nach amerikanischen Vorbild direkt auf dem Weg zum Flughafen und verschwinden in die Flitterwochen. In diesem Fall ging es für 2 Wochen nach Mexico.

Auch für uns ging es heute wieder zum Flughafen und zurück nach China. Die ganze Fahrt über fielen uns die Kleinlaster mit den riesigen Hochzeitsblumengestecken und mit Rosen und Girlanden geschmückte Limousinen auf, in denen frischgetraute Paare zum Flughafen fuhren.

Von Marcels Geschäftspartnern lernten wir bei einem gemeinsamen Essen (sie hatten in der Kantine keinen Platz mehr gefunden und waren zum Hotel zum Essen eingekehrt), dass diese westliche Art zu heiraten in Korea sehr beliebt ist - insbesondere wegen der schönen Fotos. Man kann hinterher auch auf traditionelle koreanische Art und Weise heiraten (kein weißes Kleid und kein Anzug). Es gibt auch kirchliche Trauungen, denn viele Koreaner sind Christen. Selbstverständlich gibt es auch Koreaner, die nur traditionell heiraten.

Außerdem haben wir gelernt, dass es in Korea unüblich ist vor der Hochzeit zusammen zu wohnen. Der Bräutigam muss erst für Wohnraum sorgen, dann kann er um die Hand seiner Braut anhalten, aber eingezogen wird erst nach der Hochzeit. Selbstverständlich kommt auch der Kindersegen erst mit dem Trauschein. Korea ist zwar technisch gesehen eine der modernsten Nationen der Welt, aber die althergebrachten Traditionen sind noch lebendig. Immerhin sitzen Frauen und Männer mittlerweile am selben Tisch bei den Mahlzeiten. Zu Zeiten des Großvaters von Marcels Geschäftspartner war das nicht so. Und die Großmutter ging auch immer im Abstand hinter dem Großvater her. Händchenhalten in der Öffentlichkeit war gar nicht denkbar. Doch auch heute würden Ehepaare mittleren Alters nie in der Öffentlichkeit die Hand des Partners halten, sich küssen oder umarmen. Die Jüngeren, die die Abende mit Spaziergängen durch Gangnam verbringen, sehen das aber schon ganz anders.

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